Die Deutsche Bahn gestaltet die Smart City von morgen (Interview)

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Im nachfolgenden Interview beleuchten von der Deutschen Bahn Frau Dr. Meike Niedbal, Leiterin der Geschäftsentwicklung bei DB Station & Services, und Herr Dr. Michael Barillère-Scholz, Projektleiter für den Bereich Autonomes Fahren und neue Mobilität, das Thema Smart City.

Das Thema “Smart City” ist momentan in aller Munde, trotzdem variieren die Definition dieses Begriffs immer wieder. Was verstehen Sie also unter dem Begriff?

Dr. Meike Niedbal: Smart City bedeutet kurz gesagt integrierte Stadtentwicklung mithilfe der Digitalisierung. Beim Smart City-Ansatz werden Informations- und Kommunikationstechnologien verwendet, um Infrastrukturen miteinander zu vernetzten. Sensoren und eine Echtzeit-Datenerfassung ermöglichen es, Daten in den Bereichen

  • Energie,
  • Gebäude,
  • Mobilität und
  • Infrastruktur

zu verknüpfen und zielgerichtet auf die Bedürfnisse von Bewohnern und Besuchern einer Stadt zu verarbeiten. Das ist deshalb so zukunftsweisend, weil man damit zum Beispiel der zunehmenden Verkehrsbelastung in Städten entgegenwirken kann, ohne dass sich Menschen bei Mobilität und Konsum einschränken müssen. Ein weiterer Aspekt der Smart City ist die intensivere Interaktion zwischen Bürgern und der Stadtverwaltung. Dank digitaler Technologien können Bürger bei der Stadtplanung und Stadtentwicklung stärker Einfluss nehmen oder im Alltag per App kommunizieren, dass beispielsweise ein Teilstück eines Radwegs saniert werden muss.

Dr. Michael Barillère-Scholz: Eine allgemeingültige Definition, was genau eine Smart City ausmacht, gibt es noch nicht. Muss es vielleicht auch gar nicht geben. Städte haben unterschiedliche Ansprüche und Ausgangslagen, um smart zu werden. Viele Städte testen heute in “Urban Labs”, wie ihr individuelles Stadtkonzept der Zukunft aussehen könnte: Da  geht es zum Beispiel eine intelligente Straßenbeleuchtung, die sich automatisch erhellt, wenn sich ein Fahrzeug oder eine Person nähert. Ampeln wissen, wann Busse in der Nähe sind, und verlängern somit die Grünphasen. Praktische Ideen werden schon heute umgesetzt und es wird deutlich, in wie vielen unterschiedlichen Bereichen eine Stadt intelligenter werden kann.

In einer Smart City sind also verschiedenste Bereiche von Vernetzung und Steuerung betroffen. Die Deutsche Bahn als Transportunternehmen will demnach Passagiere künftig intelligenter von A nach B bringen?

Dr. Meike Niedbal: Für viele Reisende und Pendler beginnt die Mobilitätskette am Bahnhof. Bahnhöfe sind zudem Treffpunkt und urbane Drehscheiben mitten im Zentrum unserer Städte. Deshalb wollen wir die Aufenthaltsqualität an Bahnhöfen weiter verbessern. Mit leistungsfähigem WLAN  oder durch Predictive Maintenance, also vorausschauende Reparaturen für Rolltreppen und Fahrstühle, die künftig repariert werden, bevor sie defekt sind. Auch das macht einen Bahnhof smart und kundenfreundlich. Außerdem planen wir digitale Wegeleitsysteme, die dem Kunden helfen sollen, intuitiver und einfacher die Anschlussverbindung zu finden.

Gehören intelligente Schließfächer im Bahnhof wie in Stuttgart auch zum Smart City-Konzept der Deutschen Bahn?

Dr. Meike Niedbal: In Stuttgart zeigt die sogenannte “Bahnhofsbox”, die wir in Zusammenarbeit mit der Supermarktkette Edeka anbieten, wie Räume in Bahnhöfen intelligent genutzt werden können. Auf dem Weg nach Hause die bereits online vorbestellten Waren aus den Schließfächern mit nach Hause nehmen – das ist damit möglich.

Auch in Hamburg wollen wir smarte Schließfächer anbieten. Hier wollen wir die Boxen für verschiedene Anbieter, also E-Commerce-Unternehmen, Paketdienstleister und regionale Läden zugänglich machen. Dies birgt mehr Komfort für den Kunden, weil er auf seinen täglichen Wegen die Ware einfach mitnehmen kann. Gleiches gilt für Retoursendungen. Intelligente Schließfächer in Bahnhöfen reduzieren außerdem die Umweltbelastung durch Lieferverkehre in Innenstädten.

Gut, dass Sie Hamburg ansprechen, denn dort wurde vor einigen Wochen ja eine Partnerschaft zwischen der Deutschen Bahn und der Stadt Hamburg beschlossen. Durch das sogenannte Memorandum of Understanding (MoU) soll Hamburg zur Smart City werden. Aber reichen zukunftsfähige Bahnhofskonzepte aus, um den verkehrlichen Herausforderungen einer Großstadt gerecht zu werden und eine Stadt zur Smart City zu machen?

Dr. Michael Barillère-Scholz: Unsere Vereinbarung mit Hamburg geht weiter über Bahnhöfe hinaus. Wir wollen Verkehrsmittel stärker vernetzten! Damit Bürger in der Stadt der Zukunft von einem schnellen, integrierten und umweltfreundlichen Mobilitätsangebot profitieren können, ist ein ganzheitliches Konzept nötig. Das haben wir gemeinsam mit der Stadt Hamburg entwickelt.

Können Sie da konkreter werden?

Dr. Michael Barillère-Scholz: Gerne! Staus und Emissionen sollen langfristig durch On-Demand-Verkehre gesenkt werden. Wir sprechen hier von Fahrzeugen, die keinen festen Fahrplan haben, sondern sich am aktuellen Bedarf an Fahrtwünschen der Reisenden orientieren und diese bestmöglich bündeln.

Die Kunden teilen dann die ganze oder einen Teil der Strecke – das Fahrzeug ist also eine Art intelligentes Sammeltaxi. Wichtig dabei ist, diese Fahrten mit vorhandenen Nahverkehrsangeboten zu vernetzen. Deswegen arbeiten wir in Hamburg eng mit dem Hamburger Verkehrsverbund (HVV) zusammen. Die Idee dahinter ist, dass der bestehende ÖV insgesamt attraktiver wird.

Wie wird dieses Angebot in Hamburg konkret aussehen?

Dr. Michael Barillère-Scholz: Ungefähr 100 fahrerbasierte On Demand-Kleinbusse sollen in Hamburg ab 2018 die Kundennachfrage flexibel bedienen. Außerdem  haben wir vereinbart, dass erstmals in Hamburg auch autonome Shuttles erprobt werden. Wir sind als DB der erste Anbieter überhaupt, der autonome Fahrzeuge in der öffentlichen Mobilität testet. Auf dem EUREF-Campus in Berlin haben wir in diesem Jahr bereits rund 8.000 Fahrgäste in autonom fahrenden Kleinbussen befördert.

Eines der vielen gewonnen Erkenntnisse dort war, dass die Beförderung von mobilitätseingeschränkten Fahrgästen, die mit autonomen Minibussen künftig möglich sein wird, sehr gut angenommen wurde. Auch das ist ein Aspekt von Smart Cities – individuelle Mobilität für alle möglich zu machen.

Und wann werden autonome Fahrzeuge zum ganz normalen Straßenbild gehören?

Dr. Michael Barillère-Scholz: Aktuelle Schätzungen besagen, dass autonome Fahrzeuge bereits in 10 Jahren Normalität im regulären Straßenverkehr sein werden. Bereits in 5 Jahren werden erste autonome Flotten zum Straßenbild gehören, jedoch wird dies noch nicht flächendeckend passieren. Wir sehen gerade einen Entwicklungswettlauf vieler großer Hersteller. Das sind sehr spannende Zeiten für neue Mobilitätssysteme. Wir sehen als Deutsche Bahn in autonomen Flotten enormes Potential – sowohl für Großstädte als auch im ländlichen Raum.

Dr. Meike Niedbal: Urbane Mobilität ist übrigens auch mit intelligenter Logistik verbunden. Nicht ohne Grund steht das Memorandum of Understanding in Hamburg unter dem Motto “Vernetzte Mobilität und intelligente City-Logistik”. Es ist Fakt, dass sowohl der Personenverkehr, als auch der Warenverkehr stetig zunimmt. Deshalb setzen wir auch auf Cargo Bikes. Moderne Lastenfahrräder bieten die Chance, die Zunahme des Warenlieferverkehrs umweltfreundlich und intelligent zu gestalten. Durch eine Verbesserung in der Batterietechnik ist je nach Modell ein Gewichtstransport von 150-400 kg möglich. Das reicht für die allermeisten Pakete oder sogar Paletten. In Hamburg sollen die Cargo Bikes dann durch unsere Logistiktochter DB Schenker betrieben werden.

In einer letzten Abschlussfrage möchte ich das Thema “Open Data” ansprechen, das im Kontext von Smart Cities immer wieder genannt wird: Was ist von der DB in Bezug auf dieses Thema geplant?

Dr. Michael Barillère-Scholz: Schon heute geben mit unserer Plattform data.deutschebahn.com

  • Entwicklern,
  • Programmieren und
  • Start-ups

Zugriff auf rund 35 Millionen offene Daten. Im nächsten Schritt wollen wir eine Open-Data-Plattform mit Verkehrsdaten entwickeln und Städten damit helfen, Verkehre zu optimieren. Fakt ist, dass in einer Smart-City zukünftig große Datenmengen anfallen – Stichwort “Big-Data”. Unser Ziel ist eine für Dritte zugängliche Plattform, auf der entstehende Datenmengen von städtischen Verkehrsmitteln zusammenfließen. Mit gezielten Analysen können dann die Verkehre an den entsprechenden Stellen angepasst werden und so zu flüssigeren Verkehren in einer Stadt führen.

Ganz neue Chancen ergeben sich vor allem dann, wenn die Verkehrsdaten mit verfügbaren städtischen Daten zusammen ausgewertet werden. Damit haben wir bereits erste gute Erfahrungen gemacht. Open-Data-Plattformen werden Smart-Lösungen möglich machen, an die wir heute noch gar nicht denken.

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Die Deutsche Bahn gestaltet die Smart City von morgen (Interview)
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Im Interview beleuchten Frau Dr. Meike Niedbal und Herr Dr. Michael Barillère-Scholz von der Deutschen Bahn das Thema Smart City.
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//Analyst//Blogger//Keynote Speaker// zu den Fokusthemen #Industrie40, #IoT und #Digitalisierung. Herzlich willkommen auf meinem Ingenieurversteher-Blog. Hier schreibt ein echter, aber nicht ein typischer Ingenieur. Nach einer soliden Ausbildung bei Siemens zum Feinmechaniker habe ich das Abitur nachgeholt und Maschinenbau studiert. Der Schwerpunkt Informatik im Hauptstudium war wohl der ausschlaggebende Grund, dass es mich in die Software-Industrie gezogen hat wo ich heute noch immer aktiv unterwegs bin. Für die Funktionen Vertrieb, Marketing und Produktmanagement habe ich mich meine Leidenschaft entdeckt – sicherlich nicht immer typisch für einen Ingenieur. Im Rahmen meiner Diplomarbeit haben mich Themen wie „Computer Integrated Manufacturing (CIM)“ beschäftigt. Viele Aspekte sind davon heute umgesetzt. Mit der Digitalisierung unserer Gesellschaft allgemein sowie dem Einzug des Internets in die Produktion stehen wir vor großen Herausforderungen, die uns langfristig intensiv beschäftigen werden. Der klassische Ingenieur wird nun mit völlig neuen Themengebieten konfrontiert. Das war u.a. die Motivation für diesen Blog, die Themenbereiche Industrie 4.0 und Digitalisierung aufzugreifen und regelmäßig darüber zu schreiben – leicht verständlich und nicht technisch tief. Gerade aus diesem Zusammenhang hat sich die Marke „Ingenieurversteher“ entwickelt. Ingenieure sind in der Regel Künstler mit einem sehr tiefen technischen Verständnis. Oft sind sie allerdings nicht in der Lage, technisch komplexe Zusammenhänge leicht verständlich einer Zielgruppe zu vermitteln, die nicht über dieses tiefe technische Wissen verfügt. Um Ideen und Innovationen zu vermarkten, müssen diese in eine leicht verständliche Sprache übersetzt werden. Mit einer Vorliebe für analytisches und strukturiertes Recherchieren , der Leidenschaft für das Schreiben und der Freude am Präsentieren ist die Idee vom „Ingenieurversteher“ entstanden.