KI aus Sicht vom DFKI. Prof. Ruskowski im Interview.

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Prof. Dr.-Ing. Martin Ruskowski, Leiter Innovative Fabriksysteme beim DFKI, gibt im Interview einen aktuellen Stand zu KI.

KI hat das Potential geistige Aufgaben zu übernehmen, Jobs werden wegfallen bzw. sich verändern – wie ist Ihre Sichtweise?

Natürlich wird es zweifelsohne Veränderungen geben. Genau wie wir es bei der Automatisierung durch Roboter gesehen haben, werden wir auch Veränderungen durch den Einsatz künstlicher Intelligenz haben. KI kann sicherlich sehr viel, aber KI ist nun auch nicht so mächtig, wie es oftmals gerne in der Öffentlichkeit dargestellt wird.

Seitens des DFKI warnen wir vor der Einschätzung, dass KI den Menschen komplett ersetzen wird. Genauso, wie wir den Roboter nur als Werkzeug und nicht als menschlichen Ersatz betrachten sollten, dürfen wir KI ebenfalls nur als Werkzeug ansehen, das den Menschen im Arbeitsprozess unterstützt.

Aber eines dürfen wir auch nicht falsch einsortieren – die Maschinen sind nicht intelligent. Durch leistungsfähige Algorithmen wird die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine deutlich vereinfacht. Über Spracheingaben können wir mit der Maschine interagieren oder wir nutzen Algorithmen, um beispielsweise Bilder auszuwerten, Rechnungen zu erkennen und komplexe Vorgänge zu berechnen.

Genau an den Stellen, wo in der Vergangenheit regelbasierte, monotone und wiederholende Tätigkeiten durch den Menschen durchgeführt wurden, kann nun die Maschine diese Arbeiten übernehmen. Dabei geht es weniger darum, Arbeitsplätze abzubauen. Vielmehr geht es darum, Menschen zu entlasten, ihre Potentiale zu nutzen und zu entfalten.

Intelligente Algorithmen erleichtern uns bereits heute vielfältig das Leben. Müssen und können wir überhaupt noch die Arbeitsweise der Algorithmen verstehen?

Allgemein sollten wir immer verstehen, wie ein Ergebnis zustande gekommen ist. Sicherlich gibt es Einsatzgebiete, bei denen es nicht zwingend notwendig ist, die Entscheidung zu verstehen, beispielsweise bei der Routenempfehlung des Navigationssystems. Aber es gibt kritische Entscheidungen, die ich nicht treffen kann, wenn der Algorithmus das Ergebnis nur mit einer 80%igen Wahrscheinlichkeit richtig berechnet hat.

Im DFKI nennen wir das „erklärbare KI“. Hierbei gilt es zu wissen, aus welchen Daten das Ergebnis mit welchen Verfahren, Modellen und Algorithmen entstanden ist. Beim Autonomen Fahren beispielweise müssen wir verstehen, warum der Algorithmus nun nach rechts oder links fährt. Ich klassifiziere die KI gerne in zwei grobe Bereiche.

Der eine Bereich ist derjenige der Musterkennung und der Analyse der Daten. Vergleicht man das beispielsweise mit der klassischen Regelungstechnik, dann ist dies eine Art Zustandsbeobachter. In diesem Bereich haben die neuronalen Netze ihre Stärke. Hier wird versucht, mittels großer Datenmengen aus der realen Welt einen Zustand abzuleiten, um beispielsweise Zusammenhänge in Bild-, Finanz- oder Medizindaten zu erkennen.

Der zweite Bereich verfolgt die Fragestellung, welche konkrete Entscheidung aus den analysierten Daten abgeleitet werden kann. Mit lernenden Verfahren stößt man an dieser Stelle schnell an Grenzen. Hier bleibt das menschliche Expertenwissen unverzichtbar. Neuronale Netze sind für diese Fragestellung weniger geeignet und ich sehe sie hier auf lange Sicht noch nicht.

Ist es denkbar, dass sich Fertigungsprozesse in einer Smart Factory mittels intelligenter Algorithmen irgendwann komplett eigenständig ohne menschliches Eingreifen steuern?

In Teilen ist das sicherlich heute schon Realität, wenn beispielsweise das ERP-System Kundenanforderungen mit Lieferterminen und Lagerbeständen automatisch abgleicht, Stücklisten und Arbeitspläne automatisiert erstellt und genau weiß, wann welches Teil auf welcher Maschine gefertigt wird.

Oftmals werden diese Vorgänge allerdings noch per Batchbetrieb über Nacht erstellt, auch wenn dies mittlerweile bereits in Echtzeit möglich wäre. Interessant an dieser Stelle ist zu beobachten, dass sich nicht der Mensch an die Taktzeit anpassen muss. Vielmehr passt sich das System an die durch den Menschen vorgegebene Taktzeit an.

Das bedeutet aber nicht, dass wir den Menschen dadurch ersetzen. Der Mensch kann zukünftig viel besser und flexibler in die bestehenden Systeme integriert werden. In der Vergangenheit war das nicht möglich. Da gab es fest vorgegebene Taktzeiten. Wenn diese seitens des Menschen nicht eingehalten wurden, war der Mensch ein „Störfaktor“. Heute lässt er sich nahtlos integrieren und kann mit seiner Kreativität und Intelligenz dazu beitragen, auftretende Störungen direkt zu beseitigen.

Genau an diese Aspekte dreht sich Industrie 4.0. Das reine Automatisieren von Tätigkeiten war Industrie 3.0. Diese Zeit haben wir erfolgreich hinter uns. Bei Industrie 4.0 kommt es vielmehr darauf an, bestehende Abläufe zu digitalisieren, sie flexibler zu machen und das Optimale aus den Prozessen herauszuholen.

KI und intelligente Systeme unterstützen den Menschen dabei in hervorragender Weise. Heute sind Prozesse so komplex, dass diese nicht mehr von einem Menschen komplett überblickt werden können. Viele Projekte und Abläufe greifen ineinander und für das Thema Multiprojektmanagement ist der Mensch einfach nicht vorgesehen.

Wie beurteilen sie heute den Datenfluss entlang der Wertschöpfungskette?

Das Sammeln der Daten ist heute schon Realität. Die großen Automobilhersteller verfügen über eine entsprechende Infrastruktur mit Datenservern, in die aus unterschiedlichsten Bereichen Daten einfließen und gespeichert werden. Ein großes Manko sind allerdings die fehlenden Informationen zu den Daten.

Daten sind ohne weitere Informationen oder einen Bezug per se erstmal dumm. Hier stehen wir sicherlich noch am Anfang der Entwicklung. Für die Analytik benötigen wir aber diese Informationen. Das Analysieren und Lernen aus den Daten ist eine sehr mühsame Angelegenheit. Alle lernenden Verfahren, wie unter anderem die neuronalen Netze, benötigen zwei Dinge – viele Daten und sehr viel Zeit.

Der Mensch weiß nach einem gemachten Fehler sofort, was falsch gelaufen ist und geändert werden muss. Dementgegen muss die Maschine erst in vielen Durchläufen die Daten aufwendig analysieren. Unabhängig von der Dauer des maschinellen Lernens ist die Quantität aber auch die Qualität der Daten von entscheidender Bedeutung.

Nutzen Unternehmen heute schon die Daten in der Produktion ?

Teilweise gibt es heute schon StartUp-Unternehmen, die das notwendige Domänenwissen und intelligente Lösungen haben. Beispielsweise nimmt ein StartUp Zeitdaten auf und wertet diese mit intelligenten Verfahren aus. So können Abläufe entsprechend optimiert werden.

An diesen Stellen müssen wir uns hinter den Amerikanern nicht verstecken, denn in Deutschland haben wir kluge Köpfe in den Unternehmen, die in einer lebendigen StartUp-Szene unterwegs sind. Auf Seite der Großunternehmen sieht es teilweise allerdings anders aus. Dort, wo wir nicht gut bzw. die Amerikaner uns bei weitem überlegen sind, ist das Thema Plattform-Ökonomie. Hier haben wir noch deutlich Nachholpotential.

Ist KI gefährlich und muss reguliert werden?

Wie bereits schon erwähnt sollten wir im Umgang mit KI stets wachsam sein und nicht blind der Technologie vertrauen. Besonders müssen wir aufpassen, wenn sich Systeme in einem geschlossenen Regelkreis befinden. Schnell laufen wir hier Gefahr, dass diese Systeme instabil werden. Ein schönes Beispiel dafür ist ein Social-Bot, der Nachrichten generiert und reale Menschen darauf reagieren.

Mit den neuen Nachrichten werden weitere Nachrichten generiert und so geht das Spiel immer weiter. Das System kann sich hierbei aufschaukeln, bis es unter Umständen instabil wird. Vor dem Einsatz solcher Systeme warnen wir seitens des DFKI eindringlich. So haben unter anderem auch die Konzernlenker von Google und TESLA vor dem Einsatz dieser Systeme gewarnt.

Was sind Ihre drei Wünsche an die Bundesregierung?

Ganz oben auf der Liste steht das Thema Bildung in der Schule. Informatik muss mit Beginn der Grundschule auf den Lehrplan. Wir leben heute in den Schulen immer noch so, als wäre die Welt nur analog – das ist sie aber nicht mehr. Informatik ist nicht mehr nur irgendeine Fähigkeit, es ist eine elementare Fähigkeit geworden.

Oftmals wird in diesem Zusammenhang aber über das Ziel hinausgeschossen. Es bedeutet nicht, dass jeder programmieren können muss. Aber ein grundsätzliches Verständnis davon, wie ein Computer funktioniert und wie man damit verantwortungsvoll umgeht, ist elementar wichtig.

Des Weiteren wäre mir wichtig, dass wir unseren oftmals eingeschränkten Blick öffnen. Wir müssen an dieser Stelle größer und globaler denken. Ob es uns nun gefällt oder nicht, so haben sich Systeme wie beispielsweise von Microsoft oder Google global durchgesetzt. Daher macht es keinen Sinn, dass wir beispielsweise in der öffentlichen Verwaltung eigene Wege gehen und Systeme nachbauen, die anderswo bereits vorhanden sind.

Das Thema Datenschutz müssen wir an einigen Stellen besser bzw. anders interpretieren. Der Datenschutz und auch die europäische Datenschutzgrundverordnung sind wichtig. Allerdings müssen wir lernen, besser und anders mit den Daten umzugehen, mehr mit ihnen arbeiten, um Nutzen daraus zu generieren.

Abschließend möchte ich nochmals auf das Thema Plattformökonomie hinweisen. Hier tun sich Unternehmen wie die Politik gleichermaßen schwer, den Plattformen der USA etwas entgegenzusetzen. Eine Strategie fehlt hier eindeutig.

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//Analyst//Blogger//Keynote Speaker// zu den Fokusthemen #Industrie40, #IoT und #Digitalisierung. Herzlich willkommen auf meinem Ingenieurversteher-Blog. Hier schreibt ein echter, aber nicht ein typischer Ingenieur. Nach einer soliden Ausbildung bei Siemens zum Feinmechaniker habe ich das Abitur nachgeholt und Maschinenbau studiert. Der Schwerpunkt Informatik im Hauptstudium war wohl der ausschlaggebende Grund, dass es mich in die Software-Industrie gezogen hat wo ich heute noch immer aktiv unterwegs bin. Für die Funktionen Vertrieb, Marketing und Produktmanagement habe ich mich meine Leidenschaft entdeckt – sicherlich nicht immer typisch für einen Ingenieur. Im Rahmen meiner Diplomarbeit haben mich Themen wie „Computer Integrated Manufacturing (CIM)“ beschäftigt. Viele Aspekte sind davon heute umgesetzt. Mit der Digitalisierung unserer Gesellschaft allgemein sowie dem Einzug des Internets in die Produktion stehen wir vor großen Herausforderungen, die uns langfristig intensiv beschäftigen werden. Der klassische Ingenieur wird nun mit völlig neuen Themengebieten konfrontiert. Das war u.a. die Motivation für diesen Blog, die Themenbereiche Industrie 4.0 und Digitalisierung aufzugreifen und regelmäßig darüber zu schreiben – leicht verständlich und nicht technisch tief. Gerade aus diesem Zusammenhang hat sich die Marke „Ingenieurversteher“ entwickelt. Ingenieure sind in der Regel Künstler mit einem sehr tiefen technischen Verständnis. Oft sind sie allerdings nicht in der Lage, technisch komplexe Zusammenhänge leicht verständlich einer Zielgruppe zu vermitteln, die nicht über dieses tiefe technische Wissen verfügt. Um Ideen und Innovationen zu vermarkten, müssen diese in eine leicht verständliche Sprache übersetzt werden. Mit einer Vorliebe für analytisches und strukturiertes Recherchieren , der Leidenschaft für das Schreiben und der Freude am Präsentieren ist die Idee vom „Ingenieurversteher“ entstanden.