In der 2-teiligen Artikelserie zum Thema Predictive Maintenance wurden im ersten Teil sieben Gründe genannt, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, dass sich das Thema in der Industrie nur mit großer Verzögerung durchsetzt. In zweiten Teil werden fünf konkrete Ansätze vorgestellt, mit denen sich die im Teil 1 genannten Barrieren umschiffen lassen.
Transparentes Ausweisen der gesamten Verbesserungspotenziale des Predictive-Maintenance-Einsatzes im Unternehmen
„Transparent“ bedeutet in unserem Zusammenhang, Entscheidern die Vorteile und Nutzen der Predictive Maintenance verständlich, passgenau und zielgerichtet und – wichtig! – in deren Anschauungswelt darzustellen. Es hat sich bewährt, auf technische und methodische Fragen antworten zu können, sie aber nicht als Merkmale in den Vordergrund zu stellen. Um eine wohlwollende Entscheidung herbeizuführen, sollten besonders die organisatorischen, wirtschaftlichen und strategischen Vorteile ins Licht gestellt werden.
Aktives Erkennen der Auswirkungen auf Organisation, Service-Modell und Geschäftsmodell der Instandhaltung
Wie wir bereits im ersten Teil des Artikels gesehen haben, werden Maschinelles Lernen und Predictive Maintenance einen Paradigmenwechsel in der Instandhaltung herbeiführen. Der Anlagenservice wird sich vom Reagierenden, Retrospektiven und Korrigierenden zukünftiger stärker zum Vorausschauenden, Vermeidenden und Optimierenden hin verändern. Dies wird Auswirkungen auf das gesamte Organisations-, Service- und Geschäftsmodell von industriellen Services haben. Betroffen von dieser Veränderung werden sowohl die internen Technikbereiche als auch die externen Serviceunternehmen sein, denn die Anteile der Arbeit werden sich verschieben.
Während ein großer Teil der manuellen Arbeit wahrscheinlich noch viele Jahre gebraucht werden wird, werden der analytische Anteil, die Wissensarbeit und der Informationsfluss zukünftig stark durch Softwareagenten automatisiert oder unterstützt werden. Die durch Predictive Maintenance erwarteten Optimierungen und Effizienzsteigerungen werden diejenigen Unternehmen am besten realisieren, die diese am schnellsten und effektivsten intern organisatorisch umsetzen und extern in Wettbewerbsvorteile ummünzen können.
Nutzen von kombinierten KI-Methoden zur flächendeckenden Durchdringung
Hartnäckig hält sich das Vorurteil, dass man Predictive Maintenance nur dort einsetzen könne, wo es in der Vergangenheit zu ausreichend vielen Ereignisse gekommen sei, denn nur an solchen „gelabelten“ Daten könne eine Maschine das Ausfallverhalten „erlernen“. Dabei ist es ebenso möglich, das Verhalten eines gesunden Equipments zu modellieren und ungesunde Abweichungen von diesem Zustand früh zu erkennen, die früher oder später zu einem Ausfall oder einer Funktionsbeeinträchtigung führen werden. Da Maschinelles Lernen mit mehr Variablen und mehr historischen Daten meistens immer präziser wird, sind häufig nicht zu viele Daten das Problem, sondern zu wenige.
Es können Daten aller Art berücksichtigt werden, also zum Beispiel Zustands-, Prozess- und Qualitätsdaten. Mit mehr Variablen nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, wichtige Zusammenhänge abzubilden. Die charakteristischen Werte des Anlageteils sollten sensorisch erfasst werden, also zum Beispiel Schwingungen und Axiallagen bei rotierendem Equipment oder Temperaturen und Durchflüsse bei Wärmeübertragern. Idealerweise bilden die historischen Daten alle saisonalen Zustände der Anlage ab und sollten daher mindestens einige Woche, besser mindestens 12 Monate umfassen.
Festlegen einer klaren Vision und Strategie für Zielbild, Vorgehen und Kommunikation
Nachdem man eine detaillierte Bewertung durchgeführt hat, wie sich Predictive Maintenance auf die Methoden, die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung und die strategische Anpassung des Geschäfts auswirkt und wie sich das Unternehmen und seine Produktions- und Technikbereiche diese Potenziale zu nutzen machen können, sollten diese Ergebnisse aufbereitet und für alle Betroffenen und Beteiligten gut sichtbar und verständlich zusammengefasst werden. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass die einzelnen Zielgruppen sauber definiert und getrennt angesprochen werden. Es leuchtet sofort ein, dass die Kommunikation der Predictive Maintenance-Potenziale gegenüber dem Management mit anderem Schwerpunkt diskutiert werden sollten als gegenüber der Mitarbeiterschaft.
Aus unserer Sicht hat es sich bewährt, bei der Erklärung von Innovation und Transformation mit Chancen und Risiken gleichermaßen und ehrlich umzugehen und diese zwar konsequent und zielgerichtet, aber nicht diktatorisch, mit den Betroffenen zu diskutieren. Wichtig ist es, dass die Transformation in Richtung Predictive Maintenance als eine Leitungsaufgabe der Instandhaltung erkannt wird, die sich unweigerlich durch Phasen der enttäuschten Erwartungen, Rückschritte und der Demotivation bewegen wird, bevor schlussendlich die Zielsituation erreicht wird. Daher ist eine unmissverständliche und sichtbare Identifikation der Führungskräfte mit der Predictive Maintenance-Strategie erforderlich.
Entwickeln eines Fahrplans für die Umsetzung über Pilotierung, Anpassung und Roll-out
Die Pilotierung, die Anpassung und das fabrikweite Ausrollen von Predictive Maintenance wird zumindest anfangs am sinnvollsten in Form von Projekten vorgenommen. Für das Management von Projekten unterscheiden wir zwei grundsätzliche Ansätze: Das Wasserfallmodell des klassischen Projektmanagements und das agile Vorgehen, wie es heute oft für Innovations- und Entwicklungsaufgaben vorgeschlagen wird.
Fazit
Der Einsatz von Maschinellem Lernen und von Softwareagenten in der Predictive Maintenance werden mit hoher Wahrscheinlichkeit das Paradigma in der Instandhaltung verändern. Zukünftig wird Instandhaltung aktiver, vorausschauender und vermeidender werden. Dies wird großen Einfluss auf die Geschäftsmodelle von Serviceunternehmen und auf die Make-or-Buy-Strategien von Anlagenbetreibern haben, nicht zuletzt, weil nun auch verstärkt Technologieunternehmen in den Mark für Asset Management drängen.
Tradierte industrielle Servicebereiche und industrielle Serviceunternehmen werden sich in diesem Wettbewerb nur behaupten können, wenn sie lernen, menschliches Wissen durch maschinelle Analyse zu ersetzen und diese Technologie zur neuen Positionierung zu nutzen, ansonsten laufen sie Gefahr, auf rein handwerkliche Arbeit reduziert zu werden und austauschbar zu sein. Wie in diesem Artikel gezeigt, kann Predictive Maintenance bereits heute flächendeckend in der Fabrik implementiert und eingesetzt werden, so dass das Rennen schon eröffnet ist.
Weiterlesen | Teil 1 – Herausforderungen bei der Umsetzung
Dieser Gastartikel von Ahorner & Innovators ist am 19.09.2020 im Rahmen der Blogparade #TheAIFactory erschienen.
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